Inszenierung Alexander Kubelka
Bühnenbild Florian Ottl Kostüme Elisabeth Strauß Musik Boris Fiala Dramaturgie Leonie Seibold
Johannes Silberschneider Josef Pribil, 71 Jahre, Aushilfe bei der Wach- und Schliessgesellschaft Ulli Maier Maria Patzak, 69 Jahre, Gelegenheitsputzfrau
Peter Turrinis Stück „Josef und Maria“ zählt zu den zentralen Werken der zeitgenössischen österreichischen Dramatik und entfaltet auf meisterhafte Weise die Themen Identität, Glaube und zwischenmenschliche Beziehungen.
In diesem Werk hinterfragt Turrini nicht nur die traditionellen biblischen Narrative, sondern konfrontiert die Zuschauer auch mit den zeitgenössischen Herausforderungen des Lebens und der menschlichen Existenz. Die Figuren Josef und Maria werden in einer neuen, oft zugleich tragischen und komischen Licht dargestellt, wodurch sie an Aktualität gewinnen.
Das Stück spielt im Spannungsfeld zwischen Religion und Alltagsrealität. Turrini inszeniert Josef und Maria nicht als heilige Figuren, sondern als Menschen mit Schwächen und inneren Konflikten. Diese Perspektivübernahme ermöglicht einen Zugang, der es dem Publikum erlaubt, sich mit den Protagonisten zu identifizieren.
Ihre Dialoge sind geprägt von der Schlichtheit und Direktheit, mit der sie ihre Ängste und Hoffnungen ausdrücken. Diese Form der Auseinandersetzung mit Glaubensfragen spiegelt sich nicht nur in den Texten, sondern auch in der Bühneninszenierung wider, die häufig das Gewöhnliche und das Heilige miteinander verknüpft.
Ein zentrales Element der Inszenierung ist die Frage nach der Rolle der Männlichkeit in der Gesellschaft. Josef wird oft als eine ambivalente Figur dargestellt; er kämpft mit seiner Rolle als Vater und Beschützer. Turrini schafft es, die inneren Kämpfe Josefs sichtbar zu machen, indem er seine Unsicherheiten und Zweifel thematisiert.
Er ist nicht der heldenhafte Retter, sondern ein sensibler Mann, der sich mit den Erwartungen seiner Rolle auseinandersetzen muss. Dies führt zu einer interessanten Dynamik zwischen Josef und Maria, die sich in ihrem eigenen Kampf um Identität und Selbstbestimmung befindet.
Maria wird hingegen als stark und unabhängig gezeichnet, was in starkem Kontrast zu den traditionellen Darstellungen der biblischen Maria steht. Turrini gibt ihr eine Stimme, die über das rein Mütterliche hinausgeht. Sie ist sowohl Mutter als auch Individuum mit eigenen Wünschen und Träumen.
Ihr Dialog mit Josef zeigt die Herausforderungen, die jede Beziehung in Zeiten des Wandels durchlebt. Diese Neuinterpretation beider Charaktere stellt die vorherrschenden patriarchalen Strukturen in Frage und thematisiert die Gleichwertigkeit in Beziehungen.
Ein weiterer bedeutender Aspekt von Turrinis Werk ist die Verwendung von Humor. Der Autor gelingt es, selbst in den ernsten und emotional aufgeladenen Momenten des Stückes komische Elemente zu integrieren. Dieser Humor fungiert nicht nur als Mittel zur Unterhaltung, sondern dient auch der Entspannung der angespannten Situationen und eröffnet dem Publikum neue Perspektiven auf die dargestellten Konflikte. Der Humor sorgt dafür, dass schwierige Themen wie Glaubenskrisen und zwischenmenschliche Ratlosigkeit zugänglicher werden und dadurch eine tiefere Reflexion ermöglichen.
Die Bühnenbildgestaltung und die musikalische Untermalung spielen in Turrinis „Josef und Maria“ eine wesentliche Rolle. Gemeinsam schaffen sie eine Atmosphäre, die den emotionalen Gehalt der Dialoge verstärkt.
Die minimalistische Ausstattung lässt Raum für Imagination, während die Musik gezielt eingesetzt wird, um die Stimmung der Szenen zu unterstreichen. Diese Elemente tragen dazu bei, dass die Zuschauer nicht nur passive Rezipienten sind, sondern aktiv in die emotionale Welt der Charaktere eintauchen können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Peter Turrinis „Josef und Maria“ ein vielschichtiges Stück ist, das sowohl gesellschaftskritische als auch persönliche Fragen thematisiert. Durch die Neugestaltung der Figuren und die Einbindung von Humor sowie zeitgenössischen Konflikten wird das Stück zu einem relevanten Kommentar über das Menschsein in einem sich ständig verändernden Kontext.
Turrini gelingt es, mit seiner Arbeit nicht nur die biblische Geschichte neu zu beleuchten, sondern sie auch in einen Dialog mit der Gegenwart zu bringen, was „Josef und Maria“ zu einem bedeutenden Werk der modernen Theaterliteratur erhebt.