Inszenierung David Bösch
Bühnenbild Patrick Bannwart Kostüme Falko Herold Musik Karsten Riedel
Johannes Seilern Morten Kiil Jakob Elsenwenger Biling Oliver Rosskopf Hovstadt André Pohl Aslaksen Günter Franzmeier Peter Stockmann Roman Schmelzer Dr. Thomas Stockmann Martina Ebm Kathrin, seine Frau Theodor Machacek/Theo Kapun/Paul Eilenberger Morton, ihr Sohn
Henrik Ibsens Stück „Ein Volksfeind“ (original: „En Folkefiende“), das 1882 uraufgeführt wurde, ist ein eindringliches Beispiel für die Auseinandersetzung mit den Themen Individualität, Moral und der Dynamik zwischen Öffentlichkeit und Privatheit.
Die zentrale Figur, Dr. Thomas Stockmann, vertritt die Ideale von Wahrheit und Integrität, während die Gesellschaft um ihn herum durch Kollekivismus und Konformität geprägt ist. Diese Spannungen bilden den Kern des Dramas und ermöglichen eine tiefgehende Analyse der sozialen und politischen Strukturen, die das menschliche Verhalten beeinflussen.
Ibsens Werk entstand in einer Zeit, in der sich die gesellschaftlichen Normen und Werte in Europa im Umbruch befanden. Die Industrialisierung führte zu einem neuen Selbstverständnis des Individuums, aber auch zu erhöhtem Druck durch gesellschaftliche Erwartungen. Dr. Stockmann ist ein Protagonist, der gegen die Mühlsteine des gesellschaftlichen Drucks ankämpft, was seine Rolle als „Volksfeind“ definiert – ein Begriff, der sowohl eine Ablehnung durch die Gemeinschaft als auch eine Heldentat des Widerstands impliziert.
Dr. Stockmann wird als idealistischer und aufrechter Mensch dargestellt, der die Missstände hinsichtlich der Wasserqualität im Kurort seiner Stadt offenlegt. Seine Entdeckung konfrontiert nicht nur seine eigene Familie, sondern auch die gesamte Gesellschaft mit der unangenehmen Wahrheit. In diesem Sinne fungiert er als tragischer Held; sein Streben nach Wahrheit führt unweigerlich zu seinem Fall. Im Gegensatz zu ihm steht sein Bruder Peter Stockmann, der als Vertreter der bestehenden Ordnung agiert und betont, dass das Wohl der Gemeinschaft über individuelle Wahrheiten gestellt werden muss. Diese Dichotomie zwischen den Brüdern spiegelt die grundlegenden Konflikte in der Gesellschaft wider.
Das zentrale Thema von „Ein Volksfeind“ ist der Kampf um die Wahrheit im Angesicht der sozialen Justiz. Ibsen beleuchtet die Mechanismen, durch die die Gesellschaft versucht, abweichendes Verhalten zu unterdrücken. Der Begriff des „Volksfeindes“ wird in einem doppelten Sinne verwendet: Er bezeichnet nicht nur die Figur des Dr. Stockmann, sondern zugleich auch die Gesellschaft selbst, die Beschützer ihrer eigenen Illusionen ist. Ibsen fordert das Publikum heraus, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie viel persönlicher Preis für die Aufrechterhaltung der individuellen Wahrheit bereit ist zu zahlen.
Die Struktur des Stücks folgt einer klaren Dramaturgie, in der die Spannung zwischen Stockmann und der Gesellschaft systematisch aufgebaut wird. Die zunehmende Isolation des Protagonisten wird durch die Reaktionen seiner Mitmenschen verstärkt, die von anfänglicher Unterstützung bis hin zur offenen Feindschaft reicht. Diese Eskalation dient nicht nur der Charakterentwicklung, sondern spiegelt auch die dramaturgischen Techniken wider, die Ibsen meisterhaft einsetzt, um emotionale Resonanz beim Publikum zu erzeugen.
„Ein Volksfeind“ bleibt ein zeitloses Werk, das die Herausforderungen des Individuums in der modernen Gesellschaft thematisiert. Durch die Darstellung von Dr. Stockmanns Konflikt mit der Gemeinschaft schafft Ibsen ein kraftvolles Plädoyer für die Suche nach Wahrheit und Integrität, auch wenn diese Suche oft mit persönlichen Opfern verbunden ist. Das Stück könnte als appellativer Weckruf an sein Publikum verstanden werden, die eigene Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und der Wahrheit zu hinterfragen. In seiner Schärfe und Universalität bleibt „Ein Volksfeind“ ein bedeutendes Werk der Theaterliteratur, das weit über seine Entstehungszeit hinausreicht.