Inszenierung Herbert Föttinger
Bühnenbild Walter Vogelweider Kostüme Alfred Mayerhofer Choreographie Simon Eichenberger Musik & musikalische Leitung Christian Frank
Michael König Anatol Peter Matić Max Martina Ebm Fritzi Alma Hasun Cora Katharina Straßer Annie Martina Stilp Else Julia Edtmeier Emilie Karoline Kucera Annette Maria Urban Berta Salka Weber Bianca Sandra Cervik Ilona Andrea Jonasson Gabriele Josef Ellers Ein Kellner/Franz, Diener
Arthur Schnitzler, ein bedeutender Vertreter des Wiener Fin de Siècle, hat mit seinem Werk „Anatol“ ein Stück erschaffen, das nicht nur die damaligen gesellschaftlichen Normen hinterfragt, sondern auch zeitlose Fragen zu Beziehung und Identität aufwirft. Ursprünglich als eine Sammlung von fünf Einaktern konzipiert, entfaltet sich in „Anatol“ ein facettenreiches Porträt des gleichnamigen Protagonisten und seiner Beziehungen zu verschiedenen Frauen.
Doch was macht dieses Werk so besonders, und warum hat es seinen Platz im Kanon der Theaterliteratur gefunden?
Der Charakter des Anatol ist der Inbegriff des modernen, urbanen Mannes der Jahrhundertwende: charmant, verführerisch und gleichzeitig zutiefst unsicher. Schnitzler lässt Anatol durch seine Liebesgeschichten irren – eine anhaltende Suche nach dem Sinn von Liebe und den zwischenmenschlichen Verbindungen.
Der Protagonist ist dabei weniger ein Held als vielmehr ein Antiheld; seine Eitelkeit, sein Spiel mit den Frauen und sein Streben nach Bestätigung machen ihn zu einer ambivalenten Figur.
Das Stück spiegelt eine Gesellschaft wider, die sich im Umbruch befindet. Die Frauen sind nicht mehr nur passive Objekte der Begierde; sie sind eigenständige Charaktere mit eigenen Wünschen und Ambitionen. Diese Veränderung ist besonders in der Figur der Therese zu beobachten, die Anatol herausfordert und ihm zeigt, dass die Dynamik zwischen den Geschlechtern komplexer ist als er denkt. Schnitzler gelingt es, mit feinsinnigem Humor und scharfer Beobachtungsgabe die Absurditäten des Beziehungslebens auf die Bühne zu bringen.
„Anatol“ ist nicht nur inhaltlich vielschichtig, auch die Struktur des Stücks trägt zur Unmittelbarkeit der Themen bei. Die einzelnen Szenen sind episodisch angelegt, was den Zuschauer oft in einen neuen emotionalen Raum katapultiert.
Dieses Fragmentarische stellt die Idee der Kontinuität in Frage und reflektiert somit die Zerrissenheit des Protagonisten. Schnitzler nutzt diese Sprünge, um die flüchtige Natur der Beziehungen zu verdeutlichen.
Eine weitere interessante Besonderheit ist Schnitzlers Verwendung des Dialogs. Die Gespräche wirken oft wie ein Tanz – voller Rhythmen, Pausen und Störungen. Dies verstärkt die Dynamik zwischen den Charakteren und lässt die Interaktionen lebendig erscheinen. Die Sprache ist elegant und witzig, durchzogen von Ironie, und zeugt von einem tiefen Verständnis für menschliche Beziehungen.
In der zeitgenössischen Theaterwissenschaft wird oft über die Darstellung von Geschlechterrollen diskutiert. Schnitzlers „Anatol“ ist hier ein aufschlussreiches Beispiel. Die Frauen im Stück sind keine stereotypen Figuren; sie sind stark, unabhängig und fordern Anatol immer wieder heraus. Maria, die erfahrene Geliebte, und Therese, die selbstbewusste junge Frau, stehen dem Protagonisten gegenüber und stellen seine Vorstellungen von Liebe und Eroberung infrage.
Die Vielfalt der weiblichen Charaktere fördert eine Diskussion über das Verhältnis der Geschlechter und die Erwartungen, die an beide Seiten gestellt werden. Es ist bemerkenswert, dass Schnitzler, als Mann der damaligen Zeit, solch komplexe Frauenfiguren geschaffen hat, was ihn zu einem Vorreiter in der Darstellung von Genderfragen im Theater macht.
„Anatol“ bleibt auch über ein Jahrhundert nach seiner Entstehung relevant. Die Fragen zur Liebe, zur Identität und zur Suche nach Sinn in zwischenmenschlichen Beziehungen sind zeitlos.
In einer Ära, in der die romantischen Ideale oft durch die Realität der modernen Beziehungen ins Wanken geraten, bietet Schnitzlers Werk wertvolle Einsichten.
Darüber hinaus hat „Anatol“ einen signifikanten Einfluss auf nachfolgende Theaterstücke und Autoren. Werke, die sich mit der Komplexität des menschlichen Verhaltens und den Nuancen der Beziehungsdynamik beschäftigen, finden in Schnitzlers Stil und Thematisierung häufig ihren Ursprung.
Arthur Schnitzlers „Anatol“ ist nicht nur ein Meisterwerk des frühen 20. Jahrhunderts, sondern auch ein zeitloses Stück über die Komplexität menschlicher Beziehungen. Die vielschichtige Figur des Anatol und die starken weiblichen Charaktere eröffnen neue Perspektiven auf die Herausforderungen und Unsicherheiten, die mit der Liebe verbunden sind.
In der heutigen Theaterlandschaft regt das Werk weiterhin zum Nachdenken an und fordert dazu auf, die eigenen Vorstellungen von Beziehungen zu hinterfragen. Autoritär in ihrer Wahrnehmung und dynamisch in ihrer Präsentation bleibt „Anatol“ ein wichtiger Bestandteil der Theaterwissenschaft und ein faszinierendes Stück Literatur, das es immer wieder neu zu entdecken gilt.