Inszenierung Nikolaus Habjan
Bühne Jakob Brossmann Kostüme Cedric Mpaka Puppenbau Nikolaus Habjan & Marianne Meinl Dramaturgie Hans Mrak Musik Kyrre Kvam
Dorothee Hartinger Frau Wurm Nikolaus Habjan/Manuela Linshalm Hermann Wurm Sarah Viktoria Frick Herr Kovacic/Desiree Alexandra Henkel Frau Kovacic/Bianca Barbara Petritsch Frau Grollfeuer
Die Werke des österreichischen Dramatikers Werner Schwab sind geprägt von einer tiefen Verzweiflung über die menschliche Existenz und einer schonungslosen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft. In seinem Stück „Volksvernichtung oder: Meine Leber ist sinnlos“ wird diese Verzweiflung in einer grotesken und provokanten Form thematisiert.
Werner Schwab, geboren 1958 in Österreich, ist bekannt für seine radikalen und oft brutal ehrlichen Stücke, die sich häufig mit den Abgründen der menschlichen Psyche auseinandersetzen. „Volksvernichtung oder: Meine Leber ist sinnlos“ entstand in einem gesellschaftlichen Kontext, der von politischen Umwälzungen und einem tiefen Misstrauen gegenüber gesellschaftlichen Normen und Werten geprägt war. Schwabs Werk spiegelt die Unsicherheit und Fragilität des Individuums im Angesicht kollektiver Traumata und gesellschaftlicher Krisen wider.
Das Stück ist in mehrere aktionistische Szenen unterteilt, die durch eine unkonventionelle Erzählweise miteinander verbunden sind. Die Handlung entfaltet sich in einem Raum, der einer Art grotesken Theaterbühne gleicht, auf der sich die Charaktere, die oft aus dem sozialen Abseits stammen, präsentieren und gleichzeitig anklagen. Diese Figuren verkörpern Archetypen der Entfremdung: Sie sind Überbleibsel einer Welt, die an ihren Widersprüchen zerbricht.
Im Zentrum steht das Bild der Leber, die nicht nur organisch, sondern auch symbolisch für die inneren Konflikte der Protagonisten steht. Diese Metapher verweist auf die Sinnlosigkeit des Lebens und die Suche nach Identität in einer Welt, die von Entwertung und Zerstörung geprägt ist. Schwab verwendet eine drastische Sprache, die den Zuschauer sowohl schockiert als auch zum Nachdenken anregt. Die wiederkehrende Frage nach dem Sinn des Lebens wird in einem Bild der völligen Ausgeliefertheit thematisiert.
Die Sprache Schwabs ist unverblümt, direkt und oft vulgär. Sie dient nicht nur der Charakterisierung der Protagonisten, sondern auch der Schaffung einer dichten Atmosphäre, die das Publikum in einen Zustand der Unruhe versetzt. Durch den Einsatz von Dialekten und umgangssprachlicher Ausdrucksweise nähert sich Schwab dem Alltagsdiskurs und macht die Figuren greifbar. Gleichzeitig verstärkt er die Kluft zwischen der brutalen Realität und der philosophischen Frage nach dem Sinn des Daseins.
Ein zentrales Stilmittel ist die wiederholte Verwendung von Extremen: das Groteske, das Absurde und das Tragische sind eng miteinander verwoben. Diese Mischung führt zu einer Erfahrung, die sowohl komisch als auch beunruhigend ist. Der Zuschauer wird gezwungen, sich mit der Absurdität der Situationen auseinanderzusetzen und gleichzeitig eigene moralische Überzeugungen zu hinterfragen. In den Dialogen entsteht ein anhaltender Konflikt zwischen individuellen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Normen, was die Zuschauer in eine kritische Haltung dem dargestellten Geschehen gegenüber zwingt.
Schwab übt in „Volksvernichtung oder: Meine Leber ist sinnlos“ eine eindringliche Gesellschaftskritik. Die Protagonisten erscheinen als Produkte ihrer Umwelt, gefangen in einem Strudel aus Schmerz und Entbehrungen. Diese Darstellung wirft Fragen nach Verantwortung und Schuld auf, wobei Schwab den Zuschauer dazu anregt, über das eigene Verhalten und dessen Einfluss auf die Gemeinschaft nachzudenken.
Philosophisch betrachtet, deutet die Entscheidung des Titels „Meine Leber ist sinnlos“ auf eine existenzialistische Grundhaltung hin. Die Suche nach Sinn in einer als chaotisch empfundenen Welt bleibt letztlich fruchtlos, was die zentrale tragische Dimension des Stücks verdeutlicht.
Schwab konfrontiert das Publikum mit der Erkenntnis, dass die existenziellen Fragen oft keine Antworten finden und dass die Leere in der menschlichen Existenz als Grundzustand akzeptiert werden muss.
Werner Schwabs „Volksvernichtung oder: Meine Leber ist sinnlos“ ist ein eindringliches und unbequemes Werk, das die Grenzen des Theaters herausfordert. Es ist eine kritische Analyse der menschlichen Existenz, die den Zuschauer zwingt, sich mit seinen eigenen Werten und Überzeugungen auseinanderzusetzen. Durch die Kombination von grotesker Bildsprache, extremer Sprache und tiefgründigen Themen schafft Schwab ein faszinierendes Bühnenerlebnis, das nachhallt und zum Nachdenken anregt. In der Auseinandersetzung mit den menschlichen Abgründen und der Sinnsuche in einer scheinbar sinnlosen Welt stellt Schwab grundlegende Fragen, die auch im 21. Jahrhundert von großer Relevanz sind.
„Das Recht ist diesmal nicht mehr auf der lustigen Seite, das bitte ich mir aus. Es ist alles ernst und tragisch geworden und aus … basta.“© Werner Schwab